Irritationen um Empfehlung der Landesregierung / Eltern und Lehrer wehren sich gegen Anweisungen von Schulleitern / Kultusminister Tonne prüft Homeschooling vor Weihnachten

Hannover. Trotz der zweiten Welle von Corona-Infektionen hat am Montag in Niedersachsen für mehr als eine Million Schüler
der Unterricht wieder begonnen. Überschattet wurde der Schulstart von der Frage, wie es angesichts steigender Infektionszahlen weitergehen soll. Dabei hat vor allem die Empfehlung der Landesregierung, dass Schüler ab der fünften Klasse auch im Unterricht eine Maske tragen sollen, für Streit gesorgt. Es gab Beschwerden von Eltern und Schülern, aber auch Lehrkräfte klagten, Unterricht mit Mund-Nasen-Schutz sei über Stunden nicht zumutbar.
Das Kultusministerium stellte klar, dass Schulleiter keine Maskenpflicht im Unterricht anordnen können. Das aber war vielerorts
geschehen. Laut Kultusministerium fehlt dafür bislang die Rechtsgrundlage, die Schulleiter könnten aber eine dringende
Empfehlung aussprechen. Dies sei auch sinnvoll, wenn man die Infektionsgefahr senken, gleichzeitig aber den Präsenzunterricht
mit der ganzen Klasse in den Schulen sicherstellen wolle, sagte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) am Montag. Es komme auf die Verantwortung und das vorsichtige Verhalten jedes Einzelnen an, wenn ein Lockdown wie im Frühjahr verhindert
werden solle, betonte auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).
Unterdessen prüft Kultusminister Tonne, die Schulen bereits zwei Tage vor Beginn der Weihnachtsferien zu schließen. Stattdessen
sollen die Schüler im sogenannten Homeschooling zu Hause lernen. Damit soll das Risiko verringert werden, dass Kinder ältere
Verwandte an Weihnachten mit dem Coronavirus anstecken.
„Wenn das als präventive Quarantäne ausreicht, werden wir das umsetzen“, sagte Minister Tonne der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Vom Verband der Elternräte der Gymnasien kam dafür Lob. Kurz vor Weihnachten werde sowieso kein wichtiger Unterrichtsstoff
mehr durchgenommen, sagte Vorsitzender Waliuollah Ali.

Andere Elternvertreter reagierten mit Unverständnis: Wichtiger als an Weihnachten zu denken sei es, den Unterricht jetzt sicherzustellen, sagten sie. „Wir halten den Regelbetrieb bis Weihnachten gar nicht durch“, zeigte sich die Vorsitzende des Landeselternrates, Cindy-Patricia Heine, angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen überzeugt. Land und Bund müssten endlich ordentlich Geld in die Bildung investieren, es werde wohl ein zweistelliger Milliardenbetrag sein müssen. Statt Empfehlungen müsse es klare Vorgaben geben etwa zum Maskentragen. Ralf Popp, Elternvertreter im Schulausschuss der Stadt Hannover, fordert, dass Schulen in Hotspots sofort zum Unterricht im Wechselmodell mit halben Lerngruppen zurückkehren.
Zum Schulstart am Montag starteten lediglich die Schulen in Delmenhorst im Wechselbetrieb. Dort sind die Corona-Infektionen
sehr hoch.

HAZ-Artikel vom 27.10.2020 – Verlängerte Weihnachtsferien