Der Verband der Elternräte der Gymnasien Niedersachsens hat erneut eine Umfrage unter den Mitgliedsschulen zu den Abordnungen und zur Unterrichtsversorgung durchgeführt. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass sich die Anzahl der im zweiten Halbjahr abgeordneten Stunden zum vorigen Halbjahr mehr als verdoppeln wird. Der Umfang der Abordnungen steigt im Mittel pro Gymnasium von 21 auf 52 Stunden wöchentlich. Der überwiegende Anteil der abgeordneten Lehrkräfte wechselt direkt von Gymnasien zu Grundschulen (59,3% der an der Umfrage teilnehmenden Gymnasien). Oftmals wird für ein halbes Jahr abgeordnet (an 66,7% der an der Umfrage teilnehmenden Gymnasien). Neu und mit dem Beginn des zweiten Schulhalbjahres werden Gymnasiallehrkräfte erstmalig von einem Jahr bis zu anderthalb Jahren abgeordnet (an 25,9% der an der Umfrage teilnehmenden Schulen). Insgesamt ist im zweiten Halbjahr eine Unterrichtsversorgung an Gymnasien unter 96% zu erwarten. Sogar 28%, der an der Umfrage teilnehmenden Gymnasien berichten, dass sie ab dem nächsten Schulhalbjahr erstmalig zwischen 100 und 130 Stunden wöchentlich abordnen müssen. Zusätzlich drohen weitere Ausfälle durch kurzfristig eintretende Krankheitsfälle oder Elternzeiten, wodurch sich die Unterrichtsversorgung zwangsläufig noch weiter verschlechtern wird.

Elternvertreter berichten, dass zahlreiche Gymnasiallehrer fachfremd und an den Grundschulen sogar als Pausenaufsichten eingesetzt werden. Festzustellen ist, dass an den Gymnasien durch die Abordnungswelle der Unterricht in den Kernfächern ausfällt und ganze Unterrichtseinheiten unwiederbringlich verloren sind, da diese nicht nachgeholt werden können. „Wir fragen uns daher, ob durch diese neue Abordnungswelle der Unterrichtsausfall tatsächlich an den Grundschulen verhindert wird oder nur zu weiterem Unterrichtsausfall an den Gymnasien führt!“, erklärt Dr. Hartwig Jeschke, Vorsitzender des Verbandes.

Aus den Gymnasien gibt es zahlreiche Rückmeldungen im neuen Freitextfeld der Umfrage, die landesweit über eine angespannte Situation berichten:

Massiv beklagt wird die fehlende Planungssicherheit an den Gymnasien. Im laufenden Betrieb werden die Stundenzahlen von Abordnungen verändert oder weitere Lehrkräfte werden kurzfristig neu abgeordnet. Häufig wird daher aus der Elternschaft infrage gestellt, ob die Landeschulbehörde und das Kultusministerium einen Überblick bei den Abordnungen haben.  Dem Mangel an genügend Unterrichtsstunden folgen zahlreiche Notmaßnahmen. Es werden  unzählige Klassen- und Oberstufenkurse  zusammengelegt und Oberstufenangebote  reduziert, der Unterricht in einigen Fächern wird gekürzt oder fällt jahrgangsweise aus, generell werden Arbeitsgemeinschaften gekürzt oder sogar ganz gestrichen. Auch im Profilbereich vieler Schulen gibt es erhebliche Einschränkungen.

Zwangsläufig führt die Abordnungswelle auch im 2. Schulhalbjahr wieder zu einer Vielzahl an Lehrerwechseln. Viele Teilzeitkräfte erhöhen ihr Stundenkontingent. Immer wieder leisten unzählige Lehrer eine Vielzahl an Überstunden und sind angesichts der dauerhaft angespannten Situation am Rande der Belastungsgrenze. Unausweichlich führt die angespannte Lage zu einer Veränderung des gesamten Schulklimas, stellen Elternvertreter fest. Weiterhin beklagen Elternvertreter, dass abgeordnete Gymnasiallehrkräfte oftmals viel Zeit für Fahrten zwischen verschiedenen Schulstandorten verlieren.

Die Ganztagsschule ist von den Folgen der Abordnungen jetzt besonders betroffen. So wird in etlichen Gymnasien der Ganztagsbetrieb auf untere Jahrgänge reduziert. Alternativ wird im Ganztag am Ende des Schultages gekürzt. Zusatzangebote, wie Hausaufgabenhilfen und zahlreiche Fördermaßnahmen fallen häufig weg.

Fakt ist, dass weiterhin an Niedersachsens Schulen täglich viele Unterrichtsstunden ausfallen, obwohl die Lehrkräfte an Gymnasien mit einem beispiellosen Kraftakt und mit viel Mehrarbeit gegensteuern. Die vom Land angestrebte Erhöhung der Lehrerplanstellen oder andere Maßnahmen greifen nur in Einzelfällen. Die Belastbarkeitsgrenze an den Gymnasien ist bereits jetzt weit überschritten, dennoch wird der Umfang der Abordnungen zum kommenden Schulhalbjahr mehr als verdoppelt. Die Gymnasien laufen ab dem kommenden Halbjahr im Notbetrieb. „Die Landesregierung muss endlich konsequenter handeln und  die von oben verordnete Überlastung der Gymnasien umgehend beenden. Dazu sind größere Kraftanstrengungen notwendig, als bisher von der neuen Landesregierung unternommen werden“, erklärte Dr. Jeschke abschließend

Dr. Hartwig Jeschke, Vorsitzender

Petra Wiedenroth, Geschäftsführerin